Jedes Land hat seine eigenen Feengeschichten, in Irland ist der Leprechaun wohl der meist bekannte Kobold. Er hat heute viele Gesichter. Die alten Geschichten erzählen von einem Gnom, der böswillig das Leben sterblicher Menschen stört, andere stellen ihn als Kobold dar, der harmlosen Unfug treibt und aussieht, als wäre er gerade aus einem lustigen Zeichentrickfilm entstiegen. Die irische Feenwelt ist grossartig und oft bedrohlich. Ein Leprechaun ist nur eine der vielen Figuren, die ich in weiteren Blogs beschreiben werde. Heute wende ich mich aber erst einmal diesem kleinen Wesen zu.
Die irische Feenwelt – der Leprechaun
In Irland erzählt man von verschiedenen mysteriösen Wesen, die zur Anderswelt gehören, die sich direkt außerhalb der Sichtweite der Sterblichen befindet und mit Menschen koexistieren, vor allem in den weiten, ländlichen Gebieten. So gibt es unzählige Geschichten über den Leprechaun und am Ende des Blogs findet ihr eine solche Geschichte im altmodischen Deutsch der Grimmschen Märchen, denn viele dieser Geschichten wurden tatsächlich von einem der Brüder Grimm ins Deutsche übersetzt.
Nun zuerst zu den ‚Tatsachen‘ …
(Buch zum Thema: ‚Kleines Handbuch der irischen Feen‘ von Bob Curran)
Woher kommt der Name?
Der Name Leprechaun stammt möglicherweise vom irischen „leath bhrogan“ (Schuhmacher), obwohl es da viele Ideen zum Ursprung des Namens gibt.
Wofür sind Leprechauns bekannt?
Diese scheinbar gealterten, winzigen Männer sind häufig in einem berauschten Zustand anzutreffen, der durch selbstgebrautes Poitin verursacht wird. Sie werden jedoch nie so betrunken, dass die Hand, die den Hammer hält, unsicher wird und ihre Schuhmacherarbeit beeinträchtigt wird.
Leprechauns sind auch zu selbsternannten Hütern alter Schätze geworden (die von den Dänen zurückgelassen wurden, als sie durch Irland marodierten), die sie in Krügen oder Töpfen vergruben. Dies könnte einer der Gründe sein, warum Kobolde dazu neigen, den Kontakt mit Menschen zu vermeiden, die sie als törichte, flüchtige (und gierige?) Kreaturen betrachten. Wenn er von einem Sterblichen erwischt wird, verspricht er großen Reichtum, wenn er freigelassen wird. Er trägt zwei Lederbeutel. In einem befindet sich ein Silberschilling, eine magische Münze, die bei jeder Auszahlung in die Geldbörse zurückkehrt. In der anderen trägt er eine Goldmünze, mit der er versucht, sich durch Bestechung aus schwierigen Situationen zu befreien. Diese Münze verwandelt sich später in Blätter oder Asche. Sieht man einen, so darf man ihn jedoch niemals aus den Augen lassen, da er im Handumdrehen verschwinden kann.
Die Kobold-‚Familie‘ scheint in zwei verschiedene Gruppen aufgeteilt zu sein – :Leprechaun und Cluricaun. Cluricauns können fast alles stehlen oder ausleihen, in den Stunden der Dunkelheit Chaos in Häusern anrichten, Weinkeller und Vorratskammern plündern. Sie werden auch Schafe, Ziegen, Hunde und sogar Gänse, Enten oder Hühner anspannen und sie nachts durch das Land reiten. Obwohl der Leprechaun als Irlands Nationalfee beschrieben wurde, wurde dieser Name ursprünglich nur im Norden von Leinster verwendet.
Ich finde es schwierig schöne Darstellungen von Leprechauns zu finden. Es gibt wunderschöne Bilder von Feenwesen vom englischen Künstler Brian Froud, die ich besonders gerne mag. Auch im oben genannten Buch findest Du Zeichnungen.
Nun zum Abschluss die Geschichte von Thomas Fitzpatrick…
Das Feld mit Hagebuchen
Thomas Fitzpatrick war der älteste Sohn eines wohlhabenden Pächters, der zu Ballincollig in der Grafschaft Cork lebte. Thomas, ein munterer, hübscher, reinlicher Bursche, der jedermann gefiel, wer ihn ansah, hatte gerade neun und zwanzig Jahr erreicht, als er folgende Begebenheit erlebte.
An einem schönen Herbsttage, es war am Tage unserer lieben Frau, der, wie jeder weiß, einer der größten Feiertage ist, streifte Thomas durch die Trift und ging an der Sonnenseite einer Hecke daher, während er bei sich bedachte, worin wohl das Unrecht liegen möchte, wenn die Leute statt müßig umher zu laufen und nichts zu tun das Heu aufschüttelten und den Hafer in Garben aufbänden, der bereits gemäht war, zumal da das Wetter wieder anfing unbeständig zu werden; als er plötzlich ein klapperndes Geräusch nicht weit von sich in der Hecke hörte.
„Ei der tausend!“ sagte Thomas, „Das ist ja wunderbar, noch so spät im Jahre die Schmetze singen zu hören!“
Er schlich auf den Zehen herbei, ob er die Ursache des Geräusches zu Gesicht bekommen könnte und er sich in seiner Vermutung nicht geirrt habe. Das Geklapper hörte auf, aber als Thomas scharf durch das Buschwerk sah, so erblickte er in einer Ecke des Zauns einen braunen Krug, der etwa sechs Maß Flüssigkeit halten konnte und nahe dabei ein winziges, altes Männchen mit umgekrempeltem Hut auf dem Kopf und ledernem Schürzchen, das vorne herabhing. Es schleppte einen kleinen hölzernen Stuhl herbei, stieg darauf, tauchte ein kleines Eimerchen in den Krug und zog es voll wieder heraus, stellte es neben den Stuhl und setzte sich dann bei dem Krug und fing an zu arbeiten, indem es auf einen kleinen Schuh, wie er gerade für sein Füßchen passte, einen Fleck aufschlug.
„So wahr ich lebe“, sprach Thomas zu sich selbst, „ich habe oft von einem Cluricaun reden hören, aber ehrlich zu gestehen, ich habe nie recht daran geglaubt, doch hier ist einer in allem Ernst. Wenn ich geschickt zu Werke gehe, so bin ich ein gemachter Mann. Wie ich gehört habe, darf man die Augen nicht von ihm abwenden, oder er weiß zu entwischen.“
Thomas schlich sich jetzt herbei und richtete die Augen auf ihn, wie eine Katze auf die Maus, oder wie man liest, dass die Klapperschlange tut, wenn sie die Vögel festbannen will. So kam er ganz nahe zu ihm. „Gott segne Eure Arbeit, Nachbar!“ sagte Thomas. „Mich wundert, dass Ihr an dem heiligen Tage arbeitet“, sagte Thomas.
Das ist meine Sorge, nicht Eure.“
Freilich“, sprach Thomas, „aber Ihr seid ja wohl so gut und sagt mir, was Ihr da in der Kanne habt?“
Herzlich gerne“, antwortete der Kleine, „es ist gutes Bier.“
Bier!“ rief Thomas, „Blitz und Hagel! Wie seid Ihr dazu gekommen?
Wie ich dazu gekommen bin? Gebraut habe ich es. Und wovon denkt Ihr, dass ich es gemacht habe?“
Das mag der Guckguck wissen!“ sprach Thomas, „ich denke aus Malz, woraus sonst?“
Ihr irrt, ich mache es aus Heide.“
Aus Heide!“ rief Thomas, indem er in lautes Lachen ausbrach; „Ihr denkt doch nicht, dass ich ein solcher Narr wäre, um das zu glauben?“
Wie es Euch beliebt“, antwortete er, „doch was ich Euch sage, ist wahr. Habt Ihr nie etwas von den Dänen erzählen gehört?“
Gewisslich habe ich das“, sagte Thomas, „waren das nicht die Burschen, die wir ins Gebet nahmen, als sie uns Limerick zu entreißen gedachten?“
Geht“, sagte der Kleine mit geringschätziger Miene, „ist das alles, was Ihr davon wisst?“
Nun, was ist denn mit den Dänen?“ fragte Thomas.
Die Sache ist diese: als sie hier waren, so lehrten sie uns Bier aus Heide machen und das Geheimnis ist seitdem immer in meiner Familie geblieben.“
Gebt Ihr einem zu versuchen von eurem Bier?“ sprach Thomas.
Ich will Euch etwas sagen, junger Mann. Es würde Euch besser ziemen, Eueres Vaters Haushalt zu besorgen, als bescheidene und ruhige Leute mit Eueren dummen Fragen zu quälen. Eben jetzt, während Ihr Eure Zeit in Müßiggang zubringt, sind die Kühe in den Hafer geraten und haben die Frucht ganz niedergetreten.“
Thomas erschrak über diese Nachricht so sehr, dass er eben im Begriff war, sich umzuwenden, als er sich noch besann. Und da er befürchtete, es könnte ihm abermals begegnen, so grapschte er nach dem Kleinen und packte ihn mit der Hand; doch in der Hast warf er die Kanne um und verschüttete all das Bier, so dass er es nicht versuchen und nicht sagen konnte, von welcher Art es gewesen sei. Er schwor dem Kleinen zu, dass er ihm kein Leid zufügen wollte, wenn er ihm zeigte, wo sein Geld wäre. Thomas sah so bös und blutdürstig aus, dass der Cluricaun sich gewaltig fürchtete. „Kommt mit mir“, sprach er, „über ein paar Felder, so will ich Euch einen ganzen Topf voll Gold zeigen.“
Sie gingen fort, und Thomas hielt den Kleinen fest in der Hand und wendete die Augen nicht von ihm weg. Sie mussten über Zaun und Graben, denn der Cluricaun schien aus bloßer Schadenfreude den härtesten und beschwerlichsten Weg auszusuchen, bis sie endlich auf ein Feld kamen, das ganz mit Hagebuchen angefüllt war und der Cluricaun ging auf einen dicken Stamm zu und sprach: „Grabt nur unter diesem Hagebuchenbaum, Ihr werdet einen ganzen Topf voll Goldstücke finden.“
Thomas hatte in der Hast nicht daran gedacht, einen Spaten mitzunehmen; er wollte nach Hause laufen und einen holen, und um die Stelle desto besser wiederzufinden, nahm er eins von seinen roten Strumpfbändern, das er um den Hagebuchenbaum knüpfte.
Ich denke, Ihr bedürft mein nicht weiter“, sagte der Cluricaun mit Höflichkeit.
Nein“, antwortete Thomas, „Ihr könnt Eurer Wege gehen, wenn es Euch beliebt. Gott geleite Euch und gutes Glück folge Eueren Schritten.“
„Lasst es Euch wohl ergehen, Thomas Fitzpatrick“, sagte der Cluricaun, „und möge Euch alles zum Glück ausschlagen!“
Thomas rannte wie besessen nach Hause und holte einen Spaten und lief ebenso schnell, was er nur konnte, wieder nach dem Felde zurück. Aber wie er ankam, siehe da! Kein Hagebuchenbaum auf dem Felde, um den er nicht ein rotes Strumpfband gefunden hätte, dem seinigen völlig ähnlich, und es wäre ein unsinniger Gedanke gewesen, das ganze Feld umzugraben, denn es enthielt mehr als vierzig Acker Land.
Thomas ging also mit seinem Spaten auf der Schulter nach Hause, ein wenig kühler, als er gekommen war und verwünschte den Cluricaun, so oft er an den sauberen Streich dachte, den er ihm gespielt hatte.
Aus: Irische Märchen – Zum Erzählen und Vorlesen, HG Frederik Hermann