An Cailleach – die irische Göttin des Winters
Die Legenden der Wintergöttin und die Orte sowie die alte irische Folklore, darunter die heilige Brigid, die Göttin des Sommers, sind mit ihr verknüpft.
Die Cailleach oder die Hexe oder Weise Frau wird seit Hunderten von Jahren in den keltischen Kulturen Irlands, Schottlands und auf der Isle of Man gefürchtet und verehrt. In Schottland wird sie Beira genannt und ist eng mit der Halbinsel Beara in Irland verbunden, die sich über die Grafschaften Cork und Kerry erstreckt.
Sie wird als verschleierte Hexe oder altes Weib mit einem Auge und totenbleicher Haut dargestellt. Es heisst sie hat O-Beine und hat einen hüpfenden Gang. So schreitet sie über Berge und kann die Landschaft formen und verwandeln, während Steine von ihrer gerafften Schürze fallen.
Die Cailleach ist die Göttin der Wintermonate und soll das Wetter und die Winde sowie die Länge und Härte des Winters kontrollieren. Ihre Jahreszeit beginnt am 31. Oktober, dem Samhain-Fest, das wir heute als Halloween feiern.
Sie war eine komplexe Figur, weder vollständig gut noch böse, kümmerte sich während der dunklen Wintermonate um Tiere und war die Schutzpatronin der Wölfe. Sie ist auch dafür bekannt, Hirsche zu beschützen und hat eine besondere Affinität zu schwarzen Katzen, wilden Rindern und Ziegen.
Cailleach steckt in jeder Frau
Das Wort Cailleach kommt von „caillech“, was auf Gälisch „Verschleierte“ bedeutet. Dieses Wort ist die Grundwurzel vieler anderer Wörter zur Beschreibung von Frauen, wie zum Beispiel das zeitgenössische irische Wort „cailin“, das „Mädchen“ bedeutet.
Einige Gelehrte glauben, dass „cailleach“ eher ein Titel war, da der Name im Laufe der Geschichte und Mythologie mit verschiedenen Figuren in Verbindung gebracht wurde: Digde, Milucra, Biróg (die Fee, die Lugh mit dem langen Arm als Kind rettete), Buí (eine von Lughs Frauen) und Burach. Alle Geschichten der keltischen Mythologie wurden so lange nur mündlich überliefert, dass es schwierig ist, das Netz aus Geschichten und Namen der Figuren zu entwirren. In den verschiedenen Gebieten gibt es viele Versionen der Cailleach. Sie wird manchmal Cailleach Feasa („weise Frau, Wahrsagerin“) und Cailleach Phiseogach („Zauberin“) genannt, aber am bekanntesten ist sie als Cailleach Bhéara. Eine Cailleach lebte (und Gerüchten zufolge lebt sie noch immer!) auf der Beara-Halbinsel im Südwesten Irlands. Sie soll eine Gestaltwandlerin gewesen sein und konnte sich in einen riesigen Vogel verwandeln – „cailleach-oidhche“, „die Nachthexe“, ist das alte gälische Wort für „Eule“.
Legenden der Cailleach
Es gibt eine Geschichte über einen Wandermönch und seinen Schreiber, die zum Haus der alten Frau kamen. Er erkundigte sich nach ihrem hohen Alter, er hatte Geschichten darüber gehört. Sie antwortete, dass sie ihr Alter nicht wisse, aber dass sie jedes Jahr einen Ochsen schlachte und Suppe aus den Knochen koche – und vielleicht könnten sie ihr Alter anhand der Anzahl der Ochsenknochen schätzen, die auf dem Dachboden aufgehäuft waren. Der junge Schreiber kletterte die Leiter hinauf und warf die Knochen einen nach dem anderen für den Mönch hinunter zum zählen. Der Mönch machte pflichtgemäß für jeden Knochen eine Markierung auf seinem Papier und ein großer Knochenhaufen wuchs an, bis ihm das Papier ausgegangen war. Er rief den jungen Schreiber hinauf, der antwortete, er habe noch nicht einmal eine Ecke des Knochenhaufens geräumt, so alt sei die Cailleach.
Einer anderen Legende zufolge begleitete Fintan der Weise der hundert Leben Noahs Enkelin Cessair vor der biblischen Sintflut nach Irland. Er dachte, er sei der Erste, der seinen Fuß auf die Insel setzte, fand aber Cailleach dort lebend vor und konnte sehen, dass sie viel älter war als er selbst. Er soll sie gefragt haben: „Bist du diejenige, die Großmutter, die am Anfang die Äpfel gegessen hat?“, aber er bekam keine Antwort.
Eine weitere Geschichte, die sie mit Hirschen in Verbindung bringt, erzählt von der Cailleach, die zwei Jägern erschien und ihnen das beste Jagdrevier zeigte. Sie erlegten einen riesigen Hirsch und schleppten ihn mit großer Mühe zurück zum Haus ihres Vaters, doch als sie die Hütte erreichten, war der Hirsch verschwunden, und der alte Mann schalt sie, weil sie das Fleisch nicht gesegnet hatten, wie die Cailleach es ihnen aufgetragen hatte, und den Feen erlaubt hatten, es zu stehlen.
Der irischen Mythologie zufolge war sie sieben Mal jungfräulich und gebar vielen Ehemännern Kinder, bevor sie ewig gealtert war und alle ihre Ehemänner und Kinder überlebte. Sie gilt als die mütterliche Vorfahrin aller irischen Stämme.
Traditionen und Folklore
Der Legende nach geht der Cailleach am 1. Februar, dem Fest Imbolc, ihr Vorrat an Winterbrennholz aus und sie geht los, um neues zu sammeln. Wenn der Tag schön und trocken ist, bedeutet das, dass sie mehr Brennholz sammeln und die harten Wintermonate verlängern kann, aber wenn es regnet, hat sie keinen Brennstoff und muss daher dem Frühling weichen.
Der 1. Februar ist in Irland heute als St. Brigid’s Day bekannt, da viele heidnische oder vorchristliche Feste ihr Datum beibehalten haben und mit einem christlichen Fest verbunden sind. Brigid oder Bridget ist die Schutzpatronin Irlands, aber in vorchristlicher Zeit war Brigid die Göttin, die über die Sommermonate herrschte.
Am 1. Mai, dem Fest Bealtaine, soll die Cailleach ihren Stab an Brigid übergeben und ihn unter einen Stechpalmen- oder Ginsterbusch werfen, wo er zu Stein wird. Unzählige Menhire sollen ihr heilig sein.
Der Stein, in den sie sich verwandelt, soll trotz der Wärme der Sommermonate feucht bleiben, da er Lebenskraft enthält.
Sie war auch die Göttin des Getreides, einer lebenswichtigen Ressource, um den Winter zu überleben, und die letzte geerntete Korngarbe wurde ihr gewidmet und zum Beginn der Pflanzung für die nächste Saison verwendet.
Ein weiterer Aberglaube war, dass die junge Frau, die die letzte Garbe der Ernte zusammenband, nie heiraten würde, sondern wie die Cailleach allein leben würde. Ihr Schicksal konnte abgewendet werden, indem man die letzte Garbe an ein Schaf verfütterte.
Auf den Spuren der Hexe
Die Cailleach wird in der gälischsprachigen Welt mit mehr Orten in Verbindung gebracht als jede andere Gottheit, sowohl in Schottland als auch in Irland. Ihre Fähigkeit, Landschaften und Berge zu formen, bedeutet, dass viele markante Landschaftsformen ihr zugeschrieben werden. Der Legende nach ließ sie auf ihrem Weg durch das Land Steine aus ihrer Schürze fallen oder warf sie ab, und diese wuchsen zu Felsformationen oder Bergen heran.
Hag’s Head an den Cliffs of Moher in der Grafschaft Clare
Hag’s Head ist der Name des südlichsten Punkts der Cliffs of Moher in der Grafschaft Clare, wo die Klippen eine ungewöhnliche Felsformation bilden, die an den Kopf einer Frau erinnert, die aufs Meer blickt.
Der Legende nach verliebte sich eine alte Hexe oder Meerhexe, Mal of Malbay, in den irischen Helden Cú Chulainn und jagte ihn durch ganz Irland. Cú Chulainn entkam ihr, indem sie über die Felssäulen rannte, als wären sie Trittsteine, doch Mal verlor den Halt und wurde gegen die tückischen Klippen geschleudert.
Der Hag’s Chair, Grafschaft Meath – Loughcrew
Die Spitze des Hag’s Mountain (Sliabh na Caillí) ist mit den Überresten eines großen Komplexes von Steinhaufen bedeckt und enthält behauene, verzierte Steinen. Die Legende von der Cailleach, die von Hügel zu Hügel springt und Steine fallen lässt, ist mit dieser Gegend verbunden, wobei die heruntergefallenen Steine sie Steinhaufen des Komplexes bilden. Sie soll Steine auf die ersten drei Hügel fallen gelassen haben, aber beim Sprung auf den vierten stürzte sie in den Tod und soll an den Hängen des Patrickstown Hill begraben sein. Besucher können heute auf dem Hag’s Chair sitzen, und es heißt, wenn man sich auf diesem Randstein einen Wunsch ausspricht, wird die Cailleach ihn erfüllen.
Oileán Baoi/Dursey Island
Der Name Boí oder Buí, der manchmal mit der Cailleach in Verbindung gebracht wird, führte zum Namen Oileán Baoi, Dursey Island, die an der Spitze der Beara-Halbinsel liegt, die angeblich ihre Heimat war. Ihr Erbe lebt in vielen lokalen Ortsnamen weiter, z. B. Dunboy (Dun Baoi), Ballaghboy und Boharbui. Dieser Ort soll auch ihre letzte Ruhestätte sein, und es wird gesagt, dass die versteinerten Überreste von Cailleach Beara über Coulagh Bay, Eyeries, blicken und auf die Rückkehr ihres Mannes, des Meeresgottes Manannan Mac Lir, warten.
Coulagh Bay, Eyeries, County Cork
Ein großer Felsen in Coulagh Bay, in der Nähe von Eyeries in der Grafschaft Cork, soll das Gesicht der Cailleach darstellen, das zu Stein wurde, als sie aufs Meer hinausstarrte und vergeblich auf die Rückkehr ihres Mannes Manannan Mac Lir wartete. Noch heute hinterlassen Besucher der Stätte oft Münzen, Schmuck und andere Opfergaben, um die Cailleach zu besänftigen.
Kilcatherine, County Cork
Eine andere Legende, die mit Kilcatherine in der Grafschaft Cork in Verbindung steht, endet ebenfalls damit, dass die Cailleach zu Stein wird. Eine Cailleach betrachtete die Ankunft der Heiligen Caithighearn (Catherine), die das Christentum predigte, als Bedrohung ihrer Kräfte. Eines Tages traf die Hexe zufällig auf die schlafende Heilige und stahl ihr Gebetbuch. Ein Krüppel, der in der Nähe lebte, sah, was geschah, schrie und weckte die Heilige Caithighearn. Die Heilige rannte ihr nach und holte sie in Ard na Caillí ein, nahm ihr Gebetbuch zurück und verwandelte die Hexe in Stein, mit dem Rücken zum Hügel und dem Gesicht zum Meer. Die Ruinen der Kirche und des Friedhofs von Kilcatherine liegen ganz in der Nähe des Felsens Hag of Beara.
… und noch ein paar Winterbilder