Wie es anfing….
Schwimmen ist für mich schon seit meiner Kindheit eine besondere Freude. Denn jeden Sommer verbrachten wir im grossen öffentlichen Freibad und häufig hatte ich Gelegenheit in Seen zu schwimmen. Ich war ungefähr 12 als ich das erste Mal übers Meer fuhr, von Calais nach Dover auf einer Schulreise. Als nächstes an die Ostsee mit 14. Schliesslich sah ich den grossen Atlantik zum ersten Mal mit 20, das war bei meiner ersten Überfahrt von der Bretagne nach Südwest-Irland.
Zaghaft begann ich mit dem Schwimmen im doch stets kühlen Nord-Atlantik. Vorwiegend suchte ich mir Sandstrände, welche es in Irland zahlreich gibt. Seit 2005 lebe ich nun nahe an der Kinvara Bucht und an einem Kai. Langsam entwickelte sich hier eine kleine Gruppe von Freunden und Bekannten, gemeinsam schwammen wir im Sommer hier in der Bucht.
Schliesslich kam ein Sommer, so vor 6 oder 7 Jahren, wo wir im September, als es kühler wurde nicht aufhörten mit dem Schwimmen. Wir sagten uns, den Oktober machen wir noch…. und dann Weihnachten noch …. und dann den Jahresanfang noch und dann hörten wir nicht mehr auf und gingen von da an das ganze Jahr im Ozean schwimmen.
Was uns immer wieder eintauchen lässt…
Viele schreckt es erst einmal ab, und der Gedanke an eine Sommer-Wassertemperatur von 16℃ lässt viele schaudern, da brauche ich den Winter mit vielleicht 4 oder 5 ℃ gar nicht zu erwähnen.
Wir fanden selbst heraus, dass es uns gut tut und glücklicher macht. Mittlerweile gibt es immer mehr und mehr Untersuchungen, was da mit uns geschieht beim Schwimmen im kalten Wasser.
Gesundheit
Es ist wohl so, dass das Eintauchen in kaltes Wasser eine Stressreaktion erzeugt, die ca 20 Sekunden anhält – die Atmung beschleunigt, die Herzfrequenz steigt, die Blutgefäße verengen sich. Stress hört sich negativ an, doch dieser Stress birgt viel Gutes.
- Die im kalten Wasser verengten Blutgefäße weiten sich wieder an Land, der Puls erhöht sich. Das bedeutet eine verbesserte Durchblutung und der Körper wird mit Sauerstoff versorgt, entschlackt und auch der Säure-Basen-Haushalt wird verbessert. Dies wirkt entzündungshemmend.
- Das Herz-Kreislauf-System muss mehr arbeiten und wird gestärkt.
- Das Nervensystem lernt immer schneller von An- zu Entspannung zu wechseln.
- Die Produktion von weissen Blutkörperchen wird angeregt und das Immunsystem gestärkt.
- Der Stoffwechsel wird angeregt, es werden Kalorien verbrannt um die Körpertemperatur zu halten.
Glücklich-Sein
Das sind die direkten guten Auswirkungen auf den Körper, jedoch auch dem Geist tut es gut.
- Das Überwinden der Herausforderung des kalten Wassers stärkt das Selbstvertrauen.
- Der ‚Kälteschock“ macht hellwach, erfrischt und beruhigt den Geist. Das Denken wird wieder klar.
- Mentale Stärke und Konzentrationsfähigkeit werden verbessert.
- Vermehrte Ausschüttung von Neurotransmittern wie Endorphin und Serotonin.
Diese sog. Glückshormone sorgen bei Kaltwasser-Schwimmern für ein Hochgefühl ähnlich wie es Langstreckenläufer erleben. - Kaltwasser-Schwimmen und das Verbundensein mit freundlichen gleichgesinnten Menschen hilft auch bei Ängsten und Depressionen.
Begegnungen – Kormorane und Seehunde
Neben den Begegnungen mit Menschen kommen wir beim Ozeanschwimmen auch der Tierwelt nahe. Oft schwimmen Kormorane in der Nähe. Wir treffen uns fast jeden Tag. Manchmal gibt es auch die besondere Freude, dass nicht weit entfernt ein Seehund auftaucht, uns anschaut, und wieder untertaucht. Und ja, die Quallen im Hochsommer sind nicht die beliebtesten Schwimmpartner, jedoch auch das gehört dazu.
Dem Ozean nahe – er ist jeden Tag anders
Im fast täglichen Kontakt mit dem Atlantik lerne ich ausserdem, mich in das Geschehen der Natur einzufügen. Flut ist die beste Zeit zum Schwimmen hier, sie kommt jeden Tag zu einer anderen Zeit, im unendlichen Rhythmus, der sich nie nach uns richtet. Das Wasser ist jeden Tag anders, manchmal still wie ein Spiegel, zu anderen Zeiten wild und tosend. Es gibt grosse langsam heranrollende Wellen, oder kleine die ringsherum aufspringen, zuweilen mir ins Gesicht. An manchen Tagen fühlt das Wasser sich frisch und klar an, an anderen schwer wie Blei. Dies alles lehrt mich, genau hinzuschauen, mir die Zeit zu nehmen die Natur kennenzulernen. Sie ist nicht getrennt von mir, ich bin Teil der Natur. Auch das ist Teil des Glücksgefühls.
Besondere Zeiten
In den Zeiten des Lockdown und des Reiseverbots hat sich an den Küsten Irlands etwas verändert – Irland ist eine Nation der Ozeanschwimmer geworden. Überall gibt es Freundesgruppen, Gemeindegruppen, die sich zum regelmässigen Ozeanschwimmen treffen. Bei meinen Reisen gehe ich natürlich so oft ich kann schwimmen. Überall begegne ich freundlichen Schwimmern, wir fühlen uns miteinander verbunden, Gespräche sind warmherzig und wir helfen einander, für diesen Moment, dann verabschieden wir uns und am nächsten Ort warten neue Begegnungen. Ich freue mich bereits auf die vielen Begegnungen die auf mich warten.